Newsletter Mai 2022
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DIE Stiftungsrätin: regula küng
Der Stiftungsrat von Presencia ist die leise Triebfeder im Hintergrund. Drei Persönlichkeiten stehen dahinter: Oscar Olano, Peter Saladin und Regula Küng. In diesem Newsletter und der nächsten Ausgabe stellen sie sich kurz vor.
Regula Küng (57) war in verschiedenen Funktionen bei der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit tätig, u.a. in Indien. Die Wirtschaftswissenschafterin ist spezialisiert in Strategie-Entwicklung und Controlling und leitet aktuell die Fachstelle Wohnraumentwicklung Kanton Basel-Stadt. Sie wohnt in Basel und hat einen Sohn.
Was ist Ihre Aufgabe bei Presencia?
Ich bin seit 2017 im Stiftungsrat von Presencia – nicht mein erstes Engagement für eine gemeinnützige Organisation. Ich engagiere mich vor allem im Bereich der Strategie-Entwicklung und der Wirkungsanalyse.
Wie sind Sie auf die Stiftung aufmerksam geworden?
Durch einen Kollegen des Stiftungsrats. Wegen meiner Vergangenheit in Südamerika und meiner Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit sprach er mich darauf an, ob ich Stiftungsrätin bei Presencia werden möchte.
Warum haben Sie zugesagt?
Als Stiftungsrätin von Presencia kann ich meine Stärken und Erfahrungen gewinnbringend einsetzen und soziale Verantwortung wahrnehmen. Ich bin überzeugt vom Ansatz der Stiftung, junge benachteiligte Menschen ganzheitlich und mit einem Schwerpunkt auf Bildung zu unterstützen. Es ist für mich sinnvoll eingesetzte Zeit.
Was ist Ihre persönliche Verbindung zu Lateinamerika und zum Thema Bildung?
Als Kind von Schweizer Eltern wuchs ich in Südamerika auf, unter anderem auch in Kolumbien. Bildung ist einer der Schlüsselfaktoren, damit man seinen Lebensunterhalt selber bestreiten und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken kann.
Was sind Ihre Wünsche für die Entwicklung der Stiftung? Wohin geht die Reise?
Ich hoffe, dass wir uns weiterhin auf den ganzheitlichen Ansatz mit Schwerpunkt auf Bildung fokussieren können. Ausserdem scheint es mir wichtig, dass wir für die Herausforderungen der Zukunft flexibel bleiben. Genau daran arbeiten wir aktuell mit der Weiterentwicklung der Wirkungsanalyse. Damit können Nonprofit-Organisationen aufzeigen, welche positiven Auswirkungen ihre Arbeit hat. In unserem Fall wollen wir wissen, wie sich die Presencia-Spendengelder auf die begünstigten Kinder und Jugendlichen auswirken und wie sich dadurch die Lebensqualität der Kinder, ihrer Familien und der nachfolgenden Generationen verbessert.
Maria Paulina (11), Nicole (9), Emanuel (9) und Maria Sarai (10) freuen sich auf die Schule. (Bild: Presencia)
Hurra, endlich wieder Schule!
Nach dem Lockdown im März 2020 herrschte an den kolumbianischen Schulen für lange Zeit der Ausnahmezustand. Erst seit anfangs Jahr besuchen die Kinder wieder den normalen Unterricht. Vier Presencia-Kinder erzählen, warum sie so gerne zurück ins Schulhaus gehen.
In der Schweiz wurde nur wenige Monate ausschliesslich virtuell unterrichtet, in Kolumbien hingegen von März 2020 bis Juni 2021, danach in einer Kombination von viel virtuellem und wenig Präsenzunterricht. Wegen der strengen Lockdown-Vorschriften durften Kinder und Jugendliche auch lange Zeit kaum ins Freie. So lange daheim zu sein, fiel ihnen sehr schwer. Zum Beispiel Maria Sarai. Sie ist zehn Jahre alt und besucht die fünfte Klasse. Sie langweilte sich daheim. Und ihr fehlten ihre Freundinnen und Freunde, aber auch ihre Lehrpersonen. Trotz der Möglichkeit, sie virtuell zu sehen?
Vieles, das am Lernen hindert
Sowohl Lehrkräfte als auch Kinder kämpften im virtuellen Unterricht mit technischen Problemen und schlechter Infrastruktur. Sobald sich alle einloggten, bei Stromausfall, starkem Regen oder wenn alle die Kameras einschalteten, ging oft lange Zeit gar nichts mehr. Der Schulstoff blieb unklar, Fragen der Kinder unbeantwortet und ein echter Austausch untereinander war unmöglich. «Wenn das Internet blockiert war, bin ich häufig eingeschlafen», berichtet der neunjährige Emmanuel, Wunschberuf Polizist, der in die vierte Klasse geht. Auch das unbequeme Sitzen am Küchentisch, Lärm und Ablenkung im Hintergrund erschwerten den Kindern das Lernen. Je nach Schule wurde nur zwei Stunden pro Tag unterrichtet – oder sogar noch weniger. Die neunjährige Nicole, die Vorschullehrerin werden möchte, wechselte deshalb in eine Schule mit mehr Präsenzunterricht.
Schlechtere Noten
Bei vielen Kindern sank wegen des virtuellen Unterrichts der Notenschnitt. Nicole sagt: «Wir mussten viel abschreiben und nachher die Aufgaben alleine lösen. Aber ich wusste gar nicht wie und ob meine Lösungen richtig waren. Meine Mutter konnte mir nicht helfen, deshalb sind meine Noten schlechter geworden.» Auch weil technische Probleme nicht selten als Ausrede für nicht gemachte Aufgaben vorgeschoben wurden, verteilten Lehrerinnen und Lehrer schlechte Noten. «Manchmal war das Internet plötzlich weg, wenn ich meine Hausaufgaben vorgestellt habe. Dann bekam ich eine schlechte Note, weil die Lehrerin gemeint hat, ich habe meine Aufgaben nicht erledigt», erzählt Emanuel frustriert.
Die grosse Freude über die Rückkehr
Im Januar 2002 kam der ersehnte Moment. Maria Sarai jubelt: «Endlich sind wir nicht mehr daheim eingeschlossen – Schluss mit der Langeweile!» Emanuel sagt: «Ich war sehr glücklich, in die Schule zu gehen, aber es fühlte sich auch komisch an in den grossen Räumen.» Für ihn war die erste Pause am schönsten: «Nach so langer Zeit können wir endlich wieder zusammen spielen und unser Essen teilen.» Nicht einfach war die Rückkehr für die elfjährige Maria Paulina. Wegen ihrer Atemprobleme musste sie zuerst ihre Mutter und die Lehrer davon überzeugen, sie in die Schule zu lassen. Jetzt hat sie dort viele neue Freundinnen gefunden. Sie sitzt in der vierten Reihe. «Dort gefällt es mir, denn wenn ich Hilfe brauche, sind alle nah», sagt sie. Auch die anderen Kinder erzählen, dass sie erst im Präsenzunterricht wieder die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Und der Unterricht sei interessanter, disziplinierter und abwechslungsreicher.
Jetzt muss aufgeholt werden
Hatte der virtuelle Unterricht auch etwas Positives? Maria Paulina sagt: «Ich konnte mehr Zeit mit meiner Mutter verbringen und sie hat mir öfter bei den Aufgaben geholfen.» Und Maria Sarai gefiel es, später aufzustehen und während des Unterrichts jederzeit zu essen oder aufs Klo zu gehen, ohne um Erlaubnis zu bitten. Aber Emmanuel, Nicole, Maria Sarai und Maria Paulina sind sich einig: Virtueller Unterricht macht keinen Spass, der Präsenzunterricht hingegen schon. Ganz einfach wird es trotzdem nicht. Jetzt wollen sie den verpassten Schulstoff wieder aufholen, damit sie keine Klasse wiederholen müssen.
Figuren aus «Encanto» vor einer Kinderkrippe in Kolumbien. (Bild: M. Schäfer)
«Encanto» begeistert Kolumbien und die Welt
Ende November feierte der Zeichentrickfilm «Encanto», der 60. aus dem Hause Disney, seine Kino-Premiere. Er zeichnet ein anderes Bild von Kolumbien als die meisten anderen Filme – ohne die Augen ganz vor den alten Problemen zu verschliessen.
Am Tag nach der Oscarnacht, am 28. März, twitterte der kolumbianische Präsident Iván Duque: «Wir sind stolz, dass der Film «Encanto», inspiriert vom kulturellen und natürlichen Reichtum unseres Landes, den Oscar für den besten Animationsfilm gewonnen hat. Ohne Zweifel ist das eine Einladung an die Welt, die Magie Kolumbiens zu entdecken.» Es mag etwas seltsam anmuten, dass die kolumbianische Regierungsspitze einen nordamerikanischen Zeichentrickfilm bejubelt. Aber für einmal ist man sich im Land einig: «Encanto» begeistert. Endlich ein ausländischer Film über Kolumbien, der nicht von Drogenbaronen handelt.
Die Handlung
«Encanto», auf Spanisch «Zauber» oder «Verzauberung», spielt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Name bezeichnet ein verstecktes Dorf in den Anden, wo eine Gemeinschaft wohnt, die vor fünfzig Jahre vertrieben worden war. Pedro Madrigal, dessen Frau eben erst Drillinge bekommen hatte, stellte sich damals den Verbrechern entgegen und starb. Sein Opfer schuf ein Wunder, das seither seiner Familie magische Kräfte verleiht und die Dorfgemeinschaft schützt – bis das Wunder schwächer wird. Nur Mirabel Madrigal, die selber keine Gabe hat, kann das Wunder retten.
Ein kolumbianisches Potpourri
So weit, so fiktiv. Aber die «Encanto»-Macher haben sich mit aufwendigen Recherchen, Beratung und mit Einbezug kolumbianischer Künstlerinnen und Künstlern ins Zeug gelegt, um so viel echtes Kolumbien wie möglich in den Film zu packen. Orte, Menschen, Frisuren- und Kleidungsstile, Ausdrücke und Traditionen der Menschen, die im Encanto leben, repräsentieren alle Regionen Kolumbiens. Das Gleiche gilt für das Essen, Tiere und Pflanzen.
Musik als tragendes Element
Als klassisches Disney-Musical spielt auch die Musik eine zentrale Rolle. Unter anderem singt der kolumbianische Superstar Carlos Vives «Colombia mi Encanto» und der junge kolumbianische Sänger Sebastián Yatra die Ballade «Dos Oruguitas» in der Schlüsselszene am Fluss. Auf die vordersten Plätze in den Charts hat es jedoch «We don’t talk about Bruno» geschafft, ein Lied über den verschwundenen Onkel und seine ungeliebten Prophezeiungen, das von verschiedenen Familien- und Dorfmitgliedern gesungen wird.«Encanto» hat nicht nur in Kolumbien einen Nerv getroffen. Er hat einer riesigen Fangemeinde rund um den Globus Kolumbien ein Stück nähergebracht